<<< ZURÜCK | p r e s s e
 
 
Tasso – ein Leben für die Farbe
Interview mit Port01



soulism.de
Tasso – ein Leben für die Farbe
Wie so viele seiner Altersgenossen in der damaligen DDR, wurde Tasso von einem der ersten Filme über die Hip-Hop Kultur infiziert. In seinem Fall waren dies Filme wie Beatstreet, Wildstyle oder Style Wars, ein Import des damaligen westlichen Klassenfeindes, welcher besonders die Graffiti-Szene in New York portraitierte.

Infiziert von der Kunst mit der Dose und den Möglichkeiten der Farbe ist Tasso bis heute aktiv und hat sich national als auch international einen Namen gemacht.

Wir sprachen mit dem Meeraner über seine ersten Schritte, HipHop in der DDR und über seine aktuelle Buchveröffentlichung, MACLAIM – finest photorealistic graffiti, mit seiner Crew.


Tasso, in deiner Biografie erzählst du von dem Küchentisch deiner Großeltern, unter welchem du in deinen Kinderjahren oft gemalt hast. Du wolltest jedes Jahr deinem Namen auf die Tischunterseite schreiben um zu sehen, wie sich dein Schreibstil entwickelt. Was ist aus dem Tisch geworden? Steht er heute immer noch bei deinen Großeltern, in deiner Küche oder hängt an deiner Wand?

Tasso: Ach der olle Tisch (seufzt). Was würde ich geben, noch einmal Kind zu sein und bei meinen Großeltern unbeschwert unter diesem zu liegen und zu malen, oder wenigstens noch ein einziges Mal einen Blick darauf zu werfen. Leider existiert der Tisch nicht mehr. Es war ja mein kleines Geheimnis und als meine Großeltern dann vor der Wende noch umgezogen sind, wurde dieses stabile, alte Echtholzexemplar einfach entsorgt. Vielleicht steht er jetzt bei jemand anderem, aber wahrscheinlicher ist, dass Feuerholz aus ihm wurde.


Du bist 1966 geboren und hast hautnah miterlebt wie damals die ganze Hip-Hop Kultur in den Osten Deutschlands schwappte. Versuche ein wenig das Lebensgefühl dieser Zeit in Worte zu fassen.

Tasso: Für mich spielte dieser Begriff damals überhaupt keine Rolle. Ich weiß nicht mal, ob ich ihn damals schon kannte. Es war ja in den 80er Jahren, als Breakdance durch Filme wie Beatstreet richtig bekannt wurde. Dann folgte eine Sendung im ZDF, die an die Aerobic-Welle anschließen wollte und Eisi Gulp versuchte den Leuten in mehreren Folgen die Grundschritte von Breakdance beizubringen.

Das war damals für mich Pflicht und so hinterließ ich auf dem Linoleum-Fußboden im Wohnzimmer meiner Eltern oft unschöne Spuren, die mir immer wieder Ärger einbrachten. Doch bald merkte ich, dass ich nicht so das Talent besaß und auch meine Moves bei den Mädchen immer weniger Punkte brachten. Einige nahmen die Sache wirklich ernst und trainierten hart – ich zog mich da lieber zurück. Allgemein war die DDR diesen Leuten offen gegenüber: körperliche Ertüchtigung war angesehen und wurde gefördert.

Viel mehr faszinierten mich die Kulissen bei Tänzern im TV oder kleine Bilder die man in der Bravo und auf Rap-Platten entdecken konnte. Mit der Musik selbst konnte ich mich nicht identifizieren. Ich stand in dieser rebellischen, ausgeflippten Zeit auf Punk und Heavy Metal. Jugendliche produzierten ihre eigene, unangepasste Mode und die Designer kamen gar nicht nach, das was im Untergrund und in den vielen Szenen so entstand, zu kopieren. Rocker, Punks, Mods, Popper, New Romantics, Grufties: all die Typen entwickelten ihren eigenen Look, an denen man auch sofort erkannte, ob man sich wohl gesonnen oder verfeindet war.

Man wusste einfach, trägt einer die und die Schuhe, dann hört er auch die passende Musik dazu. Es war so bunt und geil und ausgeflippt, dass ich die Kids heute für ihre langweilige Angepasstheit und dem hinterher rennen jeder vorgegebenen Designermode nur bedauern kann. Mit was wollen die ihre Eltern provozieren, wenn die doch aus der Zeit der gefärbten und rasierten Haare stammen? Nach dieser ersten Welle zogen sich viele in den Untergrund zurück. Für sich entwickelte jeder seinen Style weiter und war nach dem Mauerfall sofort wieder da. Respekt an ACE+LEE (Chemnitz), ARON (Dessau), JMF (Döbeln), ANDY K. (Dresden), EARL (Jena), Beatschmidt und die Electric Beat Crew und BART aus Meerane.


Nach deinen ersten Gehversuchen Mitte der 80er Jahre dauerte es bis 1991, bevor Du dein erstes Graffiti Bild an die Wand gebracht hast. Du selbst datierst den Anfang deiner aktiven Zeit erst auf 1994. Gab es in diesem Zusammenhang einen Auslöser, eine infizierende Begegnung in diesem Jahr? Erzähl ein wenig über deine Anfänge.

Tasso: Das erste Bild mit dem Titel GESHWAY, gleichzeitig mein damaliges Pseudonym, entstand nachdem ich monatelang Dosen aus dem Baumarkt gesammelt hatte nach einer Feier und reichlich Alkohol im Blut. Richtig ausgemalt habe ich es dann auch erst ein paar Tage später. Jedenfalls waren alle Dosen verbraucht und bei Dosenpreisen von 10 DM pro Dose und meinem damaligen Einkommen konnte ich mir so schnell auch gar zweites Bild wieder leisten. Außerdem malte ich dann erstmal jede Menge Skizzen, denn das nächste sollte ja auch besser werden als das erste Bild. Nach drei bis vier misslungenen Spontanaktionen, welche nun wirklich nicht tageslichttauglich waren, plante ich dann 1994 generalstabsmäßig eine Aktion mit BART unter den Brücken der Glauchauer Flutrinne.

Die Reaktionen waren gut und wir bekamen prompt keine schlechte Aufmerksamkeit in der Presse. Die Aktion war gut gelaufen, das Ergebnis zufriedenstellend, an einer gut sichtbaren Fläche platziert und die Aufmerksamkeit die es erregte beflügelte auch zu neuen Taten.


Wie bist Du zu deinem Namen Tasso gekommen?

Tasso: Zum letzten Mal: wir hatten einen Hund mit dem Namen Dasso und mein Kumpel ROTZ meinte witzigerweise, wenn ich zu viel getrunken hätte würde ich schauen wie er. So hatte ich schon lange vor Graffiti den Spitznamen TASSO. Und weil GESHWAY, mein erstes Pseudonym, eben viel zu lang war, malte ich bei meinem zweiten Bild spontan ein TASSO hin und blieb dabei. Außerdem ließ es sich schön taggen. Als Style machte es aber durch das doppelte S nicht viel Sinn, was mir inzwischen auch mehrere bekannte Styler bestätigt haben, die ihn mir in mein Blackbook gemalt haben.

Aber so ist auch eine Doppelbesetzung des Namens ziemlich ausgeschlossen, was innerhalb der Szene sonst nicht selten ist.


Du lebst seit 2000 von deiner Kunst. Wann kam der Moment, als Du dich in die Selbständigkeit und ein leben von der Kunst gestürzt hast?

Tasso: Einerseits wurden die Aufträge immer zahlreicher, andererseits war ich mit meinem Job auf dem Bau nicht mehr zufrieden, hatte keine Lust mehr für irgendwelche Chefs zu arbeiten und am Ende in einem fertigen Gebäude zu stehen und nichts zu spüren. Hinzu kam mein täglicher Arbeitsweg. Ich sah mein Leben in Bautransporten an mir vorbei ziehen und bekam auf ein Mal echt Panik. Mir ging es schlecht und ich trank viel zu dieser Zeit – aber immer habe ich gemalt.

Irgendwann verstand ich, dass nur ich etwas an dieser beschissenen Lage ändern konnte und gab mir einen Ruck. Dann lernte ich JMF kennen, der in meiner Heimatstadt damals gerade einen Auftrag gemalt hatte und mir zeigte das es möglich war vom malen zu leben. Auch mein Freund BART motivierte mich – und so entschloss ich mich schließlich dazu. Neben all den Ungewissheiten und Problemen die diese Selbstständigkeit mit sich bringt ist dennoch eines unbezahlbar: zu jeder Zeit die Freiheit zu haben malen zu können und sein eigener Chef zu sein. Ich bereue nix, höchstens, dass ich so viele Jahre nach der Wende verschwendet habe.


2001 hast Du die Ma`Claim Crew gegründet. Als Gruppe habt ihr euch national und international einen Namen für eure fotorealistischen Bilder gemacht. Ihr habt in diesem Jahr ein gemeinsames Buch mit dem Titel MACLAIM – finest photorealistic graffiti veröffentlicht. Wie ist es, jahrelange Arbeit gebündelt in einem Buch in der Hand zu halten? Wie waren die Reaktionen?

Tasso: Es ist schon was feines, ein gedrucktes Buch in den Händen zu halten, zu dessen Inhalt man selbst ¼ beigetragen hat. Es hat aber auch etwas abschließendes. Etwas geht zu Ende und etwas Neues beginnt. Die Reaktionen, auch international, sind durchweg sehr gut. Ich glaube das dieses Buch auch endlich studierten Künstlern, Leuten die mit Kunst handeln oder Ausstellern gezeigt hat, dass Graffiti als Kunst ernst zu nehmen ist und für mehr als eine zeitgebundene Jugendkultur steht.

Graffiti gibt es nun schon länger als den Jugendstil. Das sollte doch auch manchen Herrschaften in Galerien und Museen langsam mal zu denken geben! Aber zurück zum Buch. Man muss hier einfach die Arbeit von Steffen Petermann und Falk Lehmann, also AKUT, in den Vordergrund stellen, die dem ganzen diese hochwertige Optik verpasst haben.

Leider haben hier mehrere Leute vergessen, dass ich zeitweise der Einzige war, der noch hinter der Buchidee stand und sie, genau wie unseren Namen, auch gegenüber meinen Ma`Claimern vertreten musste.


Woher kommt dieser Hang zum fotorealistischen, zum genauen darstellen von Objekten, Personen und Gesichtern?

Tasso: Vielleicht vom Hang zur Perfektion? Die Perfektion von etwas abstraktem bestimmt der Geschmack, der Zeitgeist oder man selbst. Wenn Du aber vom Foto abmalst, wird jeder erkennen, wenn Du Fehler gemacht hast. Ich fand es auch schöner die Betrachter, also die Menschen auf der Straße wirklich damit zu erreichen und nicht, wie so oft, denen etwas vor die Füße zu knallen, mit dem sie gar nichts anfangen können, nur um mein intellektuelles Ego zu befriedigen.

Ich möchte das darstellen, was ich schön finde, oder wie ich etwas sehe. Auch versuche ich meine Gefühle mit rein zu packen und seit einem Jahr ca. bekommen die Bilder, besonders die Leinwände, immer mehr Inhalt, der aber leider oft gar nicht gesucht wird, da man ja „nur“ gegenständlich malt.

Ich kann es mir, Gott sein Dank leisten, Bilder zu malen, die nicht auf Verkauf zielen. Ich habe zwar auch meine Mohnblumen- und Toskanaphase in finanziell schwachen Zeiten gehabt und dabei kann man ja auch nur hinzu lernen, aber dahin möchte ich nicht zurück. Mein Kopf steckt voll vieler anderer Bilder, die noch gemalt werden wollen.


In diesem Jahr bist du vierzig Jahre alt geworden und gehörst damit zu den Älteren der Szene. Was hat sich deiner Meinung nach in den letzten zehn Jahren in der deutschen Graffiti-Szene am meisten verändert?

Tasso: Die Toleranz anderen Stilrichtungen und allgemein Neuem gegenüber. Noch vor ein paar Jahren waren Schablonengraffiti verpönt und Streetart galt als unreal. Inzwischen hat all das die Szene noch bunter gemacht. Wobei man als Nachteil sagen muss, ein Motiv als Sticker auszudrucken und irgendwo hin zu kleben, erfordert weder Kreativität noch Mut.

Aber auch nicht jeder Style ist schließlich ein Meisterwerk. Manchmal würde ich mir wünschen, die Sprayer und Streetart-Künstler würden ihre Möglichkeit, eine breite Masse zu erreichen, viel mehr bewusster ausnutzen. Uns als Fotorealisten wurde früher oft vorgeworfen nur platt Fotos zu kopieren. Aber das dem ganzen eine Idee im Kopf voraus ging, für die man extra ein Foto arrangierte und dieses dann noch mit grafischen Mitteln in Szene setzte, vergaßen die meisten dann oft. Aber, lang ist es her.


In welchen Ländern, in welchen Städten steckt deiner Meinung nach im Moment das größte kreative Potenzial?

Tasso: Überall gibt es gute und kreative Leute die man meist gar nicht kennt. Auch, weil Graffitimagazine gern auf bekannte Namen setzen, da sie ja an ihre Verkaufszahlen denken müssen. Ich mag Graffiti aus Spanien und sonst sind es eher Einzelpersonen und die kommen von Überall.


In der Vergangenheit hast du deine Werke in einigen Ausstellungen und auch im oben angesprochenen Buch zeigen können. Gibt es in naher Zukunft wieder Ausstellungen in denen deine Werke zu sehen sein werden oder sonstige Publikationen?

Tasso: Momentan gibt es immer noch Verhandlungen mit dem britischen PIMP-Magazin, welches gern meine Bilder in London zeigen möchte. Da aber so etwas heutzutage ohne Sponsoren nicht möglich ist, sind das langwierige und nervige Verhandlungen, wo mir schon mal die Lust daran vergeht.

Außer einer kleinen Ausstellung im Weimarer Scenario (24.11.06 - 05.01.07) ist für dieses Jahr nichts mehr geplant.


Die letzten Worte gehören Dir!

Tasso: Ich fände es einfach schön, wenn ich all meine Bilder, die ich im Kopf habe auch verwirklichen könnte. Aber manchmal müssen die eben an bestimmten Flächen, wie Brückenpfeilern nah am Wasser, Abrisshäusern, Straßenstücken oder anderen Plätzen sein. Ich würde mir wünschen, dass Autobahnmeisterei, Deutsche Bahn und andere offizielle Stellen ein bisschen lockerer im Umgang mit so etwas wären. Was wäre denn, wenn der Reichstag wegen Engstirnigkeit nie verhüllt worden wäre? Berlin und wir hätten ein kulturelles Highlight nie erleben können!

Und... Leute kauft mehr Graffitikunst!!!

Und... abstrakt ist nicht modern, das kommt aus den 20ern des letzten Jahrhunderts!!!

Und... ich arbeite auch für Privatkunden und man kann das durchaus auch bezahlen!!!

Und... danke für das Interesse. Ich hoffe, ihr besucht mich mal im Internet?

TASSO / Ma`Claim